Sind demokratische Werte einfach nur Rhetorik?
Stellungnahme der Stadtratsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Germersheim:
Als die Bundeswehr Gewissheit über die schweren Kriegsverbrechen von Hans von Sponeck während des Russlandfeldzugs im Jahr 1941 erlangte, entschied sie sich aufgrund der demokratischen Prinzipien, denen sie sich verpflichtet sieht, die hiesige Kaserne umzubenennen.
Verblüffend ist die Diskrepanz zwischen der demokratischen Ausrichtung der Bundeswehr und Ansichten, die in Germersheim eine Anhängerschaft finden. Geschichte und Erinnerung sind unterschiedliche Dinge. Es geht nicht darum, die guten gegen die bösen Taten eines Menschen abzuwägen und über ihn zu richten, sondern darum, wen die Gesellschaft ehrt und an wen sie erinnert, weil sie sich in der Gegenwart ein Beispiel an dieser Person nehmen will. Auf einen Kriegs- und Menschenrechtsverbrecher kann keine Gesellschaft, auch nicht die Germersheimer, aufschauen wollen. Verbrechen gegen die Menschlichkeit, oder besser gesagt, gegen die Menschheit, gehören zu den verabscheuungswürdigsten Taten, für die sich ein Mensch entscheiden kann. Nicht umsonst verjähren diese Verbrechen nicht, denn wer so handelt, hat sich dadurch bei der ganzen Menschenfamilie schuldig gemacht.
Wer sich heute für das ehrende Gedächtnis des von Sponeck entscheidet, wischt all zu schnell seine schwere Schuld an den Kriegsverbrechen während des Russlandfeldzuges weg und verhöhnt damit die Opfer.
So berichtete die Wochenzeitung Der Spiegel unter „Mord auf der Krim“ im Dezember 2013 darüber:
„Zwar handelte Sponeck vielfach in Übereinstimmung mit Befehlen übergeordneter Stellen; doch deren völkerrechtswidriger Charakter war offenkundig.
Vor allem aber spricht Sponecks unbestrittene Heldentat von der Halbinsel Kertsch gegen ihn. Er hatte den Mut, sich gegen Hitler aufzulehnen, aber die Verbrechen im Osten waren ihm offenbar nicht wichtig genug, um auch dagegen zu protestieren; billigte er sie sogar?“
Über 70 Jahre nach der Befreiung Deutschlands vom Naziterror – und das ist die Auffassung des kürzlich verstorben Richard von Weizsäcker, die seit 1985 für die endgültige Wende an der Reputation des Landes in den Augen des Auslands steht – ist es kaum zu fassen, dass Ansichten öffentlich vertreten werden, die aus den Opfern Nazideutschlands immer noch „die Anderen“ machen, deren Leben weniger wert als die „der Unseren“ sein sollte. Menschenrechtsverbrechen sind keine rhetorische Angelegenheit, die nach Belieben weg geredet oder ausgeklammert werden können.
Bündnis 90/ Die Grünen in der Stadt Germersheim sprechen sich dafür aus, mit derselben Konsequenz wie die Bundeswehr, die Straße umzubenennen und den Gedenkstein im Park Fronte Lamotte zu entfernen. Das Stadt- und Festungsmuseum kann die Möglichkeit bieten und soll dafür genutzt werden, ernsthaft und angemessen sowohl über die Heldentat auf der Halbinsel Kertsch als auch über die Kriegsverbrechen des Hans von Sponeck auf der Krim zu reflektieren.
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